Ringelnatz Gedichte
Lustige Reime - Geburtstag - Liebe - Joachim Ringelnatz
Er ist vor allem für humoristische Gedichte um die Kunstfigur Kuttel Daddeldu bekannt. Die Sprache ist von Joachim Ringelnatz, dem berühmten deutschen Dichter. Hier erhalten Sie eine Auswahl seiner schönen und witzigen Gedichte, Reime und Verse. Sowohl bekannte und weniger bekannte Gedichte von diesem beliebten Schriftsteller, der auch Maler, Zeichner und Kabarettist war.
Ich kenne das Schwälbchen
Ich kenne das Schwälbchen, die Möwe,
Hab neidlos sie oft belauscht,
Wenn sie in junger Liebe
Worte und Küsse getauscht.
Ich kenne den losen Vogel,
Der hinter ihnen blieb,
Und weiß, auch er hat das Schwälbchen
Noch immer so herzlich lieb.
(Joachim Ringelnatz, 1883-1934, deutscher Dichter, Schriftsteller, Kabarettist und Maler)
Lautsprecher
Du weißt sehr wohl, was du erweckst,
Du Frau, mit deinen schönen Beinen.
Ob du sie wenig oder mehr versteckst.
Das ist ein Spiegelspiel mit Scheinen.
Spiel muß die Phantasie belügen.
Lüge ermißt nicht, was sie nimmt.
Die Kühnheit nur genießt Vergnügen,
Die weit hinaus in Klarheit schwimmt.
Bein: Knochen, Fleisch und Haut daran.
Auf die Gefahr hin, daß dein Ehemann
Mir Hut und Hirn zerknüllt,
Drängt es mich, laut in alle Welt zu schrein:
O schöne Frau, ich möchte eingehüllt
In tausend Beine so wie deine sein.
(Joachim Ringelnatz, 1883-1934, deutscher Dichter, Schriftsteller, Kabarettist und Maler)
Telefonischer Ferngruss
Ich grüße dich durchs Telefon,
Guten Morgen, du Gutes!
Ich sauge deiner Stimme Ton
In die Wurzeln meines Mutes.
Ich küsse dich durch den langen Draht,
Du Meinziges, du Liebes!
Was ich dir – nahe – je Böses tat,
Aus der Ferne bitt ich: Vergib es!
Bist du gesund? – Gut! – Was? – Wieviel? –
Nimm's leicht! – Vertraue! – Und bleibe
Mir mein. – – Wir müssen dies Wellenspiel
Abbrechen – – Nein, »dir« Dank! – – Ich schreibe!
(Joachim Ringelnatz, 1883-1934, deutscher Dichter, Schriftsteller, Kabarettist und Maler)
Auf ein Grab
Ein Wind, gütig fächelnd,
Läßt Blätter und Tränen verwehn.
Empfange einst lächelnd,
Die weinend dir nachgesehn.
Gewesen, nicht vergessen;
Erinnert, doch verziehn.
Was uns Besitztum schien,
Hat keins von uns besessen,
War höchstens nur geliehn.
(Joachim Ringelnatz, 1883-1934, deutscher Dichter, Schriftsteller, Kabarettist und Maler)
Der Stein
Ein kleines Steinchen rollte munter
Von einem hohen Berg herunter.
Und als es durch den Schnee so rollte,
Ward es viel größer als es wollte.
Da sprach der Stein mit stolzer Miene:
»Jetzt bin ich eine Schneelawine«.
Er riß im Rollen noch ein Haus
Und sieben große Bäume aus.
Dann rollte er ins Meer hinein,
Und dort versank der kleine Stein.
(Joachim Ringelnatz, 1883-1934, deutscher Dichter, Schriftsteller, Kabarettist und Maler)
Ein Liebesnacht-Wörtchen
Ja – – ja! – – ja!! – – ja!!! – –
Du hast so süße Höschen.
Nun sind wir allein. Und es ist Nacht.
Ach hätte ich dir doch ein Röschen
Mitgebracht.
(Joachim Ringelnatz, 1883-1934, deutscher Dichter, Schriftsteller, Kabarettist und Maler)
Meditation
Wolleball hiess ein kleiner Hund,
Über den ein jeder lachte,
Weil er keine Beine hatte und
So viel süsse Schweinereien machte.
Warum ist man überall geniert?
Warum darf man nicht die Wahrheit sagen?
Warum reden Menschen so geziert,
Wenn sie ein Bein übers andre schlagen?
Um dies überschätzte homo sum
Werd' ich täglich wirrer und bezechter.
Ach, die Schlechtigkeit ist gar zu dumm,
Doch die Dummheit ist noch zehnmal schlechter.
Hat der Wolleball von seinem Herrn
Nichts gewusst, nur Launen mitempfunden,
Hatte der ihn andrerseits sehr gern
Und verstand im Grunde nichts von Hunden.
Er ist tot, auf den ich solches dichte.
Mir ist Wurscht, wo sein Gebein jetzt ruht.
Aber die Pointe der Geschichte
Muss ich sagen: Er war herzensgut.
Und sein Wolleball war gut. Er grollte
Nie. Ein einzig Mal nur biss
Er nach mir, als ich verhindern wollte,
Dass er wieder in die Hausschuh schiss.
(Joachim Ringelnatz, 1883-1934; aus: Gedichte Allerdings)
An Gabriele B.
Schenk mir dein Herz für vierzehn Tage,
Du weit ausschreitendes Giraffenkind,
Auf dass ich ehrlich und wie in den Wind
Dir Gutes und Verliebtes sage.
Als ich dich sah, du lange Gabriele,
Hat mich ein Loch in deinem Strumpf gerührt,
Und ohne dass du's weisst, hat meine Seele
Durch dieses Loch sich bei dir eingeführt.
Verjag sie nicht und sage: "Ja!"
Es war so schön, als ich dich sah.
(Joachim Ringelnatz, 1883-1934, deutscher Schriftsteller; aus: Gesamtwerk in sieben Bänden.
Genau besehen
Wenn man das zierlichste Näschen
Von seiner liebsten Braut
Durch ein Vergrösserungsgläschen näher beschaut,
Dann zeigen sich haarige Berge,
Dass einem graut.
(Joachim Ringelnatz, 1883-1934, deutscher Schriftsteller; Gedichte, Allerdings)
Meine Tante
Meine Tante ist eine Blinde
Und obendrein geistesgestört,
Was ich doch noch rüstig empfinde,
Weil sie auf dem einen Ohr hört.
Ihr Rückgrat ist wie ein Henkel.
Sie geht deshalb etwas gebückt.
Doch hat sie am oberen Schenkel
Ein Grübchen, das jeden entzückt.
Ein Grübchen, wie manch eine Haut hat,
Nur zarter und doch wieder stark,
Dass jeder, der es geschaut hat,
Erfreut etwas zahlt. Meist drei Mark.
Sie hat Perioden mit Äther.
Ich breche mitunter mit ihr
Beziehungen ab, die ich später
Erneure bei angeblich Bier.
Denn sie ist doch eine volle
Mimosengestalt, ein Genie,
Und immer noch unter Kontrolle.
Ich garantiere für sie.
(Joachim Ringelnatz, 1883-1934, deutscher Schriftsteller;
aus: Gedichte, Allerdings
Zu einem Geschenk
Ich wollte dir was dedizieren,
nein, schenken, was nicht zuviel kostet.
Aber was aus Blech ist, rostet,
und Messing-Gegenstände oxydieren.
Und was kosten soll es eben doch.
Denn aus Mühe mach ich extra noch
was hinzu, auch kleine Witze.
Wär bei dem, was ich besitze,
etwas Altertümliches dabei ---
doch was nützt dir eine Lanzenspitze!
An dem Bierkrug sind die beiden
Löwenköpfe schon entzwei.
Und den Buddha mag ich selber leiden.
Und du sammelst keine Schmetterlinge,
die mein Freund aus China mitgebracht.
Nein - das Sofa und so grosse Dinge kommen
überhaupt nicht in Betracht.
Ach, ich hab die ganze letzte Nacht,
rumgegrübelt, was ich dir geben könnte.
Schlief deshalb nur eine,
allerhöchstens zwei von sieben Stunden,
und zum Schluss hab ich doch nur dies kleine,
lumpige, beschissne Ding gefunden.
Aber gern hab ich für dich gewacht.
Was ich nicht vermochte, tu du's:
Drücke du nur ein Auge zu.
Und bedenke,
dass ich dir fünf Stunden Wache schenke.
Lass mich auch in Zukunft nicht in Ruh.
(Joachim Ringelnatz, 1883-1934, deutscher Schriftsteller)
Silvester
Es gibt bei Armen und Reichen
So manche Herzen bang und still;
Aus manchem dieser Herzen will
Die Sorge nimmer weichen.
Ich bin einer neuen Idee auf der Spur
Und überlege sie sehr:
Man sollte armen Leuten nur
Gutes tun oder sagen,
Ohne vorher oder hinterher
Nach ihnen zu fragen.
Wer hat das wohl zuerst bestellt,
Was nun so glatt sich leiert:
Dass jeder Stand und alle Welt
Terminlich trauert und feiert.
So Wünschlein-pünschlein den andern gleich
Will ich mich nüchtern betrinken,
Um gegen Morgen durchs Federweich
In Kaktusträume zu sinken.
Etwa: Dass eine Mutschekuh,
Die vollgefressen mit Heu war,
Mein Zimmer betrat und rief mir zu:
"Prost Neujahr, Herr Doktor, prost Neujahr!"
(Joachim Ringelnatz, 1883-1934, deutscher Schriftsteller)
Kleines Gedichtchen
Kleines Gedichtchen,
Ziehe denn hinaus!
Mach ein lustiges Gesichtchen.
Merke dir aber mein Haus.
Geh ganz langsam und bescheiden
Zu ihr hin, klopf an die Tür,
Sag, ich möchte sie so leiden,
Doch ich könnte nichts dafür.
Antwort, nein, bedarf es keiner.
Sprich nur einfach überzeugt.
Dann verbeug dich, wie ein kleiner
Bote schüchtern sich verbeugt.
Und dann, kleines Gedichtchen du,
Sag noch sehr innig: "Geruhsame Ruh".
(Joachim Ringelnatz, 1883-1934, deutscher Schriftsteller, Dichter, Maler, Kabarettist;
aus: Gesamtwerk in sieben Bänden
Ehrgeiz
Ich habe meinen Soldaten aus Blei
Als Kind Verdienstkreuzchen eingeritzt.
Mir selber ging alle Ehre vorbei,
Bis auf zwei Orden, die jeder besitzt.
Und ich pfeife durchaus nicht auf Ehre.
Im Gegenteil. Mein Ideal wäre,
Dass man nach meinem Tod (grano salis)
Ein Gässchen nach mir benennt, ein ganz schmales
Und krummes Gässchen, mit niedrigen Türchen,
Mit steilen Treppchen und feilen Hürchen,
Mit Schatten und schiefen Fensterluken.
Dort würde ich spuken.
(Joachim Ringelnatz, 1883-1934, deutscher Schriftsteller, Dichter, Maler, Kabarettist)
Wenn wir sterben müssen
Wenn wir sterben müssen,
Unsere Seele sich den Behörden entzieht,
Werden sich Liebende küssen;
Weil das Lebende trumpft.
Aber wenn nichts geschieht,
Bleibt das Leben nicht einmal stehn,
sondern schrumpft.
Was heute mir ins Ohr klingt,
Ist nur, was Klage vorbringt.
Und was ich mit Augen seh
An schweigender Not, das tut weh.
Aller Frohsinn in uns ist verreist.
Und nichts geschieht. - Und der Zeiger kreist.
(Joachim Ringelnatz, 1883-1934, deutscher Schriftsteller, Dichter, Maler, Kabarettist; aus: nichts geschieht)
Flugzeug am Winterhimmel
Ich fliege im Flockengewimmel.
Ach, guter Himmel, lass das doch sein!
Ich Flugriese bin nur klein Vögelein
Gegen dich, schüttender Himmel.
Sag Schneegestöber, ich bäte es sehr,
Ein wenig nachzulassen.
Denn meine Flügel tragen schon schwer
An sechs ganz dicken Insassen.
Die spielen Karten in meinem Leib
Und trinken, weil sie so frieren.
Und wollen nach Zoppot, um Zeitvertreib
Und Örtliches zu studieren.
Und käme ich dort nicht pünktlich hin,
Die würden es niemals verzeihen.
Lieber Himmel, wenn ich gelandet bin,
Dann darfst du gern wieder schneien.
(Joachim Ringelnatz, 1883-1934, deutscher Schriftesteller, Dichter, Kabarettist
und Maler; aus: Flugzeuggedanken)
Weisst du
Wenn ein Neunauge mit einem Tausendfuss
Kinder zeugt, wie mögen die gehen?
Wie mögen die sehen?
Ich weiss es nicht. Weisst du's?
Weisst du wohl, dass eines Flugzeugs Schatten,
Wenn er über Häuser, Bäume, Matten,
Menschen, Tiere, Wasser geht,
Nichts und niemand widersteht?
Jeder weiss, warum in schönen Zweigen
Schöne Spinne schöne Netze webt.
Aber weisst du, was das Schweigen
Eines andern Menschen
Sinnt und nacherlebt und vorerlebt?
(Joachim Ringelnatz, 1883-1934, deutscher Schriftesteller, Dichter, Kabarettist und Maler)
Die Ameisen
In Hamburg lebten zwei Ameisen,
Die wollten nach Australien reisen.
Bei Altona auf der Chaussee
Da taten ihnen die Beine weh,
Und da verzichteten sie weise
Denn auf den letzten Teil der Reise.
(Joachim Ringelnatz, 1883-1934, deutscher Schriftesteller, Dichter, Kabarettist und Maler)
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